Die Vorteile des Einsatzes fluoridfreier Mundpflegeprodukte mit Hydroxylapatit
Dr. Hardy Limeback BSc, PhD (Biochem), DDS Toronto, Kanada
Hardy Limeback ist emeritierter Professor für zahnmedizinische Forschung an der Fakultät für Zahnmedizin der Universität Toronto, Kanada. Er war Leiter der präventiven Zahnheilkunde, Präsident der Canadian Association for Dental Research und 2006 Mitglied eines Ausschusses des Nationalen Forschungsrats der USA, der sich mit Fluorid im Trinkwasser beschäftigte. Er ist Autor von über 100 wissenschaftlichen Artikeln und Buchkapiteln sowie Herausgeber des bekannten Lehrbuchs Comprehensive Preventive Dentistry.
Er unterrichtete fast 40 Jahre lang Zahnmedizinstudierende sowie praktizierende Zahnärztinnen und Zahnärzte. Darüber hinaus leitete er ein Forschungslabor, das sich mit den Auswirkungen von Fluorid auf Zähne und Knochen befasste, besaß außerdem eine Zahnarztpraxis und praktizierte in Teilzeit als Zahnarzt. Er ist nach wie vor in der zahnmedizinischen Forschung tätig und konzentriert sich derzeit auf fluoridfreie Mundpflegeprodukte, z. B. auf Basis des Wirkstoffs Hydroxylapatit.
Die Fluorid-Ära
Seit mehr als 75 Jahren ist die erste Maßnahme bei Karies, die Patientinnen und Patienten mit Fluorid zu behandeln. Häufiger Zuckerkonsum fördert das Wachstum von Plaquebakterien auf den Zähnen, die Zucker in Säuren umwandeln. Tut man nichts gegen sie, demineralisieren diese Säuren nach und nach die Zähne. Der Mineralverlust lässt Hohlräume entstehen, in welche die Bakterien eindringen, was wiederum eine Zahnmarkinfektion und schließlich Zahnverlust zur Folge haben kann1.
Der Einsatz von Fluorid, um Zahnkaries vorzubeugen, reicht weit zurück und beginnt mit der Fluoridierung2. Wo es dem Trinkwasser nicht zugesetzt werden konnte, erhielten Kinder Fluoridsupplemente3. Seit den 1950er- und 1960er-Jahren wird es Zahnpasten zugesetzt und in placebokontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass es Karies reduziert4. Auch in Mundspülungen findet es sich5. Von Fachleuten verabreichte Fluoridgele wurden eingeführt, allerdings werden diese derzeit häufig durch Fluoridlacke ersetzt. Einen Mehrwert für die Allgemeinbevölkerung gegenüber fluoridierten Zahnpasten haben sie möglicherweise aber nicht6.
Nebenwirkungen einer Fluoridaufnahme
Während des gesamten 20. Jahrhunderts wurde davon ausgegangen, dass Fluorid in den Mengen, die zur Verringerung von Karies beim Menschen eingesetzt werden, unbedenklich sei, unabhängig davon, ob es über das Trinkwasser aufgenommen wird oder in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, Mundpflegeprodukten für Endverbraucher oder solchen zur Verabreichung durch Fachleute.
Im 21. Jahrhundert hat die Forschung jedoch gezeigt, dass mit zunehmender Fluoridexposition Gesundheitsschäden auftreten können, die eine breite Anwendung von Fluorid nicht mehr rechtfertigen. Der Einsatz von Fluorid birgt nach heutigem Kenntnisstand potenziell mehr gesundheitliche Gefahren, als dass er der breiten Masse nutzt7.
Zahnfluorose
Von der Geburt bis zum Alter von 6 Jahren befinden sich die bleibenden Zähne von Kindern im Entwicklungsstadium. Eine übermäßige Aufnahme von Fluorid in den ersten drei Lebensjahren wirkt sich dauerhaft und negativ auf die Schneidezähne aus. Dies wird als Zahnfluorose bezeichnet8. Eine schwere Zahnfluorose gilt mittlerweile als gesundheitliche Beeinträchtigung9.
Die übermäßige Aufnahme von Fluorid ist hauptsächlich auf die Ernährung sowie die frühe und unsachgemäße Anwendung fluoridhaltiger Zahnpasta zurückzuführen10. Die Behandlung einer unerwünschten Zahnfluorose ist sehr teuer11.
Auswirkungen von Fluorid auf das Gehirn
In Tierstudien wurde nachgewiesen, dass Fluorid neurotoxisch ist12. Selbst nur geringen Fluoridmengen ausgesetzt zu sein, wird beim Menschen inzwischen auch mit einem niedrigeren IQ in Verbindung gebracht. Das US-amerikanische National Toxicology Program hat vor Kurzem eine umfassende Meta-Analyse aller Humanstudien durchgeführt, in denen eine geringe Fluoridexposition sowohl vor als auch nach der Geburt mit einem niedrigeren IQ in Verbindung gebracht wurde, und dabei einen konsistenten und statistisch signifikanten negativen Zusammenhang ohne erkennbaren Schwellenwert festgestellt13.
Weitere gesundheitsschädigende Auswirkungen einer Fluoridaufnahme
Es ist gut dokumentiert, dass eine lebenslange Anreicherung von Fluorid die Knochenqualität beeinträchtigen kann14,15. Dies mag zwar nur für ältere Menschen, die in Gebieten mit relativ hohem Fluoridgehalt im Trinkwasser leben, ein Problem darstellen, doch auch bei der Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta können täglich erhebliche Mengen an Fluorid im Mund verbleiben, insbesondere bei kleinen Kindern16.
Bei Menschen mit Nierenschäden im Endstadium kann sich Fluorid negativ auswirken17, weshalb es hier sinnvoll wäre, für die tägliche Zahnpflege eine fluoridfreie Zahnpasta zu verwenden. Inzwischen gibt es auch Hinweise darauf, dass eine übermäßige Fluoridaufnahme bei gesunden Menschen die Gesundheit von Leber und Nieren beeinträchtigen kann18.
Endokrine Effekte
Die Aufnahme von Fluorid, selbst in geringen Mengen, kann sowohl die Spermienqualität als auch die Spermienmenge bei Männern beeinträchtigen19. Zudem hat sich gezeigt, dass es bei Kindern beiderlei Geschlechts eine negative Korrelation mit dem Sexualhormonspiegel gibt20.
Fluorid wird seit Jahrzehnten als Mittel zur Behandlung von Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt, bei gesunden Menschen kann aufgenommenes Fluorid jedoch die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen21.
Die Suche nach sicheren Fluoridalternativen für Mundpflegeprodukte
Im Jahr 2015 verwendeten weltweit etwa 1,5 Milliarden Menschen fluoridhaltige Zahnpasta22, und die Weltgesundheitsorganisation hat kürzlich topisches Fluorid zu einem unentbehrlichen Arzneimittel erklärt, das in Ländern mit niedrigem Einkommen möglicherweise nicht erschwinglich ist23.
Aufgrund der vielen unerwünschten Nebenwirkungen der Fluorideinnahme werden fluoridfreie Zahnpasten immer beliebter. So sind beispielsweise 1/3 der im Vereinigten Königreich verkauften Zahnpasten inzwischen fluoridfrei24. Aber funktionieren sie auch?
Forscher haben viele fluoridfreie Formulierungen von Mundpflegeprodukten getestet. Zu den vielversprechendsten gehören Zahnpasten und Mundspülungen auf der Basis von Hydroxylapatit (HAP)25. Hydroxylapatit, der Zahnpasten zugesetzt wird, ist biomimetisch (d. h. er ahmt die Natur nach), da er dieselbe Struktur aufweist wie das natürliche Mineral von Zähnen und Knochen.
Es gibt umfangreiche klinische Nachweise dafür, dass fluoridfreie Hydroxylapatit-Mundpflegeprodukte vor Karies bei Kindern und Erwachsenen schützen. Mehrere klinische Studien zeigen, dass Hydroxylapatit Karies vorbeugt26,27,28. Die erste systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse bezüglich der kariesvorbeugenden Wirkung von Hydroxylapatit wurde im Jahr 2021 veröffentlicht29.
Hydroxylapatit ist auch ein wirksamer Wirkstoff gegen schmerzempfindliche Zähne, wie neuere systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen zeigen30,31. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass Hydroxylapatit nachweislich und auf schonende Weise die Zähne aufhellt32. Patienten mit defektem Zahnschmelz, einer sogenannten Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (Kreidezähne), können ebenfalls von Hydroxylapatit-Zahnpasta profitieren33.
Hydroxylapatit-Zahnpasten sind seit Jahren in vielen Ländern weltweit zum Verkauf zugelassen, in Kanada und den USA sind sie jedoch noch relativ unbekannt. Mit der Zulassung von Hydroxylapatit-Zahnpasten durch Health Canada und der Validierung durch die Canadian Dental Association bekommen Familien in Nordamerika nun Alternativen zu Fluoridzahnpasten und Mundspülungen, die sicher und effektiv einen Nutzen für ihre Mundgesundheit bieten.
Quellen:
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